October 25, 2016

Der Triumph der Zukunft




Sprich, wer du bist? wie lebend hier erscheinst?
Und was dich sicher her zur Hölle brachte?“
Dante, Die Göttliche Komödie



Vorwärts! - dröhnte der Lockruf der uns hinabzog in die Tiefen einer allzu bekannten Routine. Ein Abgrund, welcher sich stets aufs neue den Geschundenen als Linderung einer Misere zu präsentieren versteht, nur um sie tiefer in den Schlund zu ziehen aus dem sie sich einmal befreien wollten. Als wir auf dem Weg nach unten voran schritten breitete sich vor uns der Abgrund aus, der mit den verwesenden Rückständen der Begierden gepflastert war, die vielleicht einmal in der Lage gewesen waren die Ketten zu sprengen. Nun aber schmiedeten wir dank des unaufhaltsamen Fortschritts, zu dessen Beschleunigung auch wir uns hier eingefunden hatten selbst unsere Ketten. Auf unserem Weg kamen wir dem sehr nahe, was man als eine lebendige Hölle bezeichnen könnte. Wir waren dorthin gekommen um all jenen vermeintlichen Ketzern beistand zu leisten, die die Existenz einer über ihnen stehenden Gewalt niemals akzeptieren zu können glaubten und doch als ohnmächtig Getriebene den Sabbat ihrer Enteignung feierten, weil es nichts mehr anderes zu feiern gibt. Alle Regeln sind bereits akzeptiert. Die Sünder haben ihr eigenes Strafgesetzbuch geschaffen. Und aus dem Schlund gibt es kein Entrinnen. Ja, wir befinden uns wirklich in der Hölle!
Die List der Vernunft - ein ausgemachtes Werk Gottes-verbrannte die Leidenschaften, die Gesten erscheinen nur noch als Posen einer zuckenden Masse aus Leibern. Luzifers Licht, das unseren Weg in jenen Schlund ausleuchtete wird uns noch tiefer in den Menschensumpf hineinführen, bevor wir je wieder das Licht erblicken sollten.(Wer Angst vor der Dunkelheit hat, wird das Licht niemals erblicken) Alle Zweifel an der ewig währenden Fortsetzung dieses bizarren Schauspiels sind ausgeräumt: „Das ist die Zukunft und das ist auch alles!“ beteuerten die Engel der Finsternis. Wir mussten weitergehen, auch wenn unsere Fackel bereits zu erlöschen drohte. Und so reisten wir unablässig vorwärts, in das innere Reich des Chaos, um uns unterzuordnen unter die Drohungen die in die Körper und Mimik all jener eingeschrieben sind, die um uns herum aus der Dunkelheit hervorbrachen, um schließlich wieder in sie zurück zu versinken. Trafen wir überhaupt noch auf menschliche Wesen?
Wir wateten durch einen Morast von Leibern,wabernder Menschenschlamm, und sahen vor uns den Karneval der Hyänen, der jeden Augenblick bereit war sich selbst und alles um sich herum zu verschlingen, mochte man sich nicht der Zurichtung beugen mit der sie sich selbst zurecht geschunden hatten, - eine Posse besonderer Güte! Zwanghafte Zuckungen lockten uns und verkündeten das Bild einer bereits feststehenden Zukunft. Lüste, verschüttet in den Bunkern die dazu errichtet wurden sie zu bändigen, Zwangsvollstrecker ihrer eigenen Minderwertigkeitskomplexe, phantastische Neurosen, halb schwachsinnig von den Leiden, unfähig sich zu befreien, jauchzend über die Fesseln, die sie sich freiwillig angelegt haben.
Manch einen aus unserem Pulk zog es hinab. Man kann sich schwer den Lockrufen der Sirenen entziehen, die wir unweigerlich vernahmen und das Wachs mit dem wir uns die Ohren hätten verstopfen können lehnten wir dankend ab. Zu fest hatte sich der Griff des Giftes um unsere Hirne gelegt, als dass wir dem Taumel den Gefallen abschlagen hätten können uns mit allen anderen zu verschlingen. Wir fanden uns wieder: Im Kreise liefen wir hin und her, brennend , als sich von oben ein purpurner Schimmel herabsenkte: „Wolltet ihr diese Zukunft nicht einst besiegen?“ raunte der Dämon mir zu, „Und die Buchhalter des Himmels, die euch mit den Darlehen auf die Zukunft lockten an den Gedärmen der Autorität erhängen?“. „Denn“, so fuhr er fort, „du weißt so gut wie ich, dass es ohne Zukunft keine Sünde geben kann.“ Und als er sich in dem schillernden Pfuhl des Grauens entfernte, flüsterte er noch: „Das Ende der Zukunft (welche die Gewalt der Ordnung ist) ist das nicht der Beginn der Geschichte die von euch gemacht wird?“
Doch die Autorität, die diese göttliche Komödie verfasst hat, hat einen allzu fest Griff und lockt mit der Anerkennung, ein wahrhaft einzigartiger Schauspieler zu werden. In den mystischen Schleier von Individualität gehüllt und mit allen Weihwassern eines Rebellentums gewaschen, verteilt sie das Zuckerbrot mit dem sie die Peitschenhiebe lindert. Dieser irrsinnige Maskenball ist die Kommunion mit der die Einheit der göttlichen Ordnung hergestellt wird. Hinter den Masken sind die Charaktere längst verschwunden. Jede ihrer Revolten verfiel in Konformismus. Und: Alles was irgendeine Sache aufrechterhält, trägt zur Arbeit der Polizei bei. Denn wir wissen, dass alle Ideen und Verhaltensweisen, die schon existieren, unbefriedigend sind. Die augenblickliche Gesellschaft teilt sich nur in Wahnsinnige und Spitzel … Es gibt keine Nihilisten, es gibt nur Machtlose.
Der Rock 'n' Roll wird heute gegen uns verwendet. Er ist wahrlich ein Werkzeug Gottes.
Wir standen da und hörten neu ihr alt Geheule.

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